Malblöcke raus, Klassenfahrt

Drüben auf Twitter hat jemand eine Art Klassenfahrt der Gruppe „Kleine Kunstklasse“ gestartet. Wir werden alle zusammen in einem gemalten Schiff (?) „verreisen“, hoffentlich lustige Sachen erleben und jeden Tag zu einer bestimmten Aufgabe ein Bild malen. Das erste war ein „Passbild“, zum Start geht es gleich ans Kofferpacken. Wer mag, malt und zeichnet etwas unter dem Hashtag „KleineKunstklassesAbenteuer“, wer einen Tag aussetzen will, kann das tun, wer nur mitlesen und Bilder anschauen möchte, ist auch dazu herzlich eingeladen. Das ist die netteste Bubble, in der ich je war, und ich freue mich so sehr auf diese virtuelle Reise, als würde es in echt irgendwohin gehen. Ich freue mich auf die Ideen und Bilder der anderen und darauf, selbst wieder mehr zu malen. Natürlich könnte ich das auch einfach so machen, aber ich brauche noch ein bisschen den Druck einer Deadline oder ein vorgegebenes Thema, um wieder in Gang zu kommen.

Warum ich das schreibe? Weil ich mich bis vor Kurzem nicht getraut hätte, bei so was mitzumachen. Weil ich irgendwie so ein Gefühl aus der Schule mit mir rumgetragen habe, dass ich sowieso nicht gut genug für so was bin. Ich könnte ja eine schlechte Note bekommen, weil ich das Thema nicht richtig umgesetzt habe. (Wobei ich schon damals das vage Gefühl hatte, dass es in der Kunst kein Richtig und Falsch geben sollte, sondern nur Spaß am Gestalten.) Ich habe Malen nie gelernt, ich kleckse halt einfach so vor mich hin und drauflos. Jahrelang hab ich überhaupt nicht gemalt oder gezeichnet, und nach wie vor ist es so, dass ich lieber mit Vorlage arbeite und mich ohne verloren fühle. Beim obigen Bild sind mir auch nach mehreren Versuchen die Augen nicht so recht gelungen, aber es ist mir irgendwie egal. Ich habe das nicht vorgezeichnet, sondern gleich mit Aquarellfarben losgelegt, und ich mag das Bild trotz seiner kleinen Macken gern. Die Vorlage, nämlich ich, hat ja auch die eine oder andere Macke.

Als ich vor ein paar Jahren wieder mit dem Malen angefangen habe, hab ich die meisten Bilder nicht veröffentlicht. Andere hätten mich ja auslachen können für mein Gepinsel. Und bei dieser „Klassenfahrt“ machen auch professionelle Künstler*innen mit, die mit ihrer Kunst sogar Geld verdienen. Was also sollte eine wie ich bei so einem Projekt in diesem bösen, bösen Internet, in dem es sowieso nur darum geht, sich gegenseitig niederzumachen?

Aber das ist eben das Besondere an der kleinen Kunstklasse. Es gibt ausschließlich positives Feedback, niemals ungefragte Ratschläge oder gar Kritik. Wir haben es da einfach nur schön, nett und flauschig, und deswegen mache ich bei dem Projekt mit und freue mich wie blöd drauf. So was passiert, wenn man Menschen mit positiver Verstärkung begegnet, anstatt ihnen mit Gemecker, Kritik oder schlechten Noten Ansporn geben zu wollen. Das war das eine, was ich sagen wollte.

Und das andere: Das Internet ist nicht immer fies und schlecht.

Ist das noch Therapie oder schon Kunst?

Hach, was für ein schöner freier Tag. Am Morgen fix aufs Ergometer mit anschließendem Krafttraining, am Nachmittag ein bisschen malen, ganz kurz in den Wald, um die 5000 Schritte für den Tag voll zu kriegen, schon ist wieder Abend.

Ich hab es auch endlich geschafft, das Acrylgemälde fertig zu bekommen. Erst war ich zugegebenermaßen nicht so begeistert, dass ich die Malwerkstatt nicht für mich alleine hatte, aber dann hatten wir mit vier, fünf Frauen ein so tolles Gespräch, dass ich nicht bereute, sitzengeblieben zu sein. Eine malte wie ich, eine weitere flocht ihren Korb zu Ende, eine häkelte, eine weitere kam später nur zum Quatschen, wir redeten über Gott und die Welt, zeigten Hundefotos, erzählten uns ein bisschen von den Krankheiten und taten uns irgendwie gut. Ich bin immer wieder erstaunt, wie das funktioniert. Und der eine Mann, der sich noch kurz zu uns setzte, störte auch nicht weiter.

Einer der Gründe, warum ich mich hier überhaupt zum Malen angemeldet habe, ist übrigens, dass ich mir davon einen Anstoß erhofft hatte, endlich wieder regelmäßiger zu Stiften oder Pinsel zu greifen. Und was soll ich sagen: Es funktioniert. Als ich mit meinem Meerbild unterm Arm wieder auf mein Zimmer kam, hatte mir eine Freundin Urlaubsbilder geschickt, unter anderem mit ihrem Hund drauf. Und weil es noch früh war und ich gerade so schön im Flow, brachte ich den gleich auch noch zu Papier. (Eigentlich hatte ich nur schnell eine Skizze machen wollen, aber das liegt mir irgendwie nicht. Ich kann schnell malen, aber ich verliere mich doch immer in Details dabei. Egal. Ist ja meine Kunst, kann ich machen, wie ich will.)

Farben oder Worte?

Die Idee, eine Art Krebstagebuch zu führen, stammt übrigens von einer Bekannten, allerdings hatte diese vorgeschlagen, es zu malen.

Mein erster Gedanke war direkt Ablehnung, weil ich dachte, warum soll ich dem bekackten Krebs nun auch noch ein Tagebuch widmen und ihm damit ein Denkmal setzen?

Der zweite Gedanke, einige Tage später, war genau das Gegenteil: Warum eigentlich nicht, tolle Idee, ich wollte eh wieder mehr malen, da hätte ich wenigstens einen Anlass. Und Zeit sollte ich auch genug haben in den kommenden Wochen und Monaten.

Dann wieder: Nee, ich mag dazu nichts malen. Aber schreiben, das will ich dann doch irgendwie. Weswegen dieses Blog nun auch wieder zu neuen Ehren kommt, auch wenn der Anlass ein schönerer hätte sein können. Andererseits kann ich vielleicht anderen Frauen in derselben Situation Mut machen und zeigen: Auch wenn jeder Krebs anders ist und jede Frau anders ist, stecken wir alle zusammen in derselben Scheiße, Mädels. Und wir kommen da auch wieder raus. Mit fiesen Witzen und einem Arschvoll Kloppe für die Tumoren und Karzinome.

Aber Malen ist nun mal nicht meine präferierte Kunstform, um mich auszudrücken. Denn Malen ist etwas, das für mich so vorbehaltlos und absolut schön und positiv ist, dass ich es nicht nutzen kann, um damit etwas zu verarbeiten. Ich möchte nur Sonnenuntergänge und -aufgänge malen, Kirschblüten, bunte Vögelchen, kanadische Landschaften und neuseeländische Strände.

Verarbeiten kann ich Probleme seit jeher mit Schreiben. Wenn ich mich mit etwas auseinandersetzen muss, fliegen mir Wörter in den Kopf, keine Farben. Und anschließend fließen sie mir wieder aus den Fingern, entweder in die Tastatur oder durch den Stift aufs Papier. Beim Malen empfinde ich die mir gegebenen Ausdrucksmöglichkeiten als okay, aber doch limitiert. Beim Schreiben dagegen liegt ein schier unerschöpfliches Meer an Möglichkeiten vor mir. Ein Blogtext, eine Kurzgeschichte, ein Gedicht, automatisches Schreiben, ein paar hingekritzelte Sätze, ein ausformuliertes Essay? Alles geht, und selbst in den dunkelsten Momenten hab ich immer noch Wörter und Worte. Die Farben sind das Erste, was mir abhanden kommt, wenn es mir wirklich schlecht geht. Ich kann nicht malen, wenn ich nur fiese Gedanken im Kopp hab.

Außerdem kann ich nicht malen, wenn ich keine Vorlage hab. Ein Pferd aus dem Kopf zeichnen? Keine Chance. Aber gebt mir ein Foto von der Alster, und ich mach ein Aquarell draus. Und ich denke nicht nach, während ich male, weswegen ich da vermutlich auch so viel Kraft draus ziehen kann. Das werde ich mir nicht versauen, indem ich meinen Bildern die Last der Verarbeitung einer Krankheit auferlege.

Ein Aquarellgemälde von der Hamburger Alster, in der Mitte ein Bootssteg mit vielen kleinen angelegte Booten, im Vordergrund hängt ein Rettungsring, von oben hängen dunkle Zweige ins Bild

Jeder ist ein Kritiker

„Jaja, ganz nett, aber du musst auch mal was Eigenes machen, nicht immer von Vorlagen.“

„Und wann malst du endlich mal in Öl?“

„Also ich könnte das nicht.“

„Langweilig, das ist ja immer dasselbe.“

Das sind vier von zahlreichen Sätzen, die mir mein bescheuertes Gedächtnis zuletzt gerne mal wieder ins Bewusstsein spülte. Vorzugsweise immer dann, wenn ich malte, was vermutlich damit zu tun hat, dass ich das seit etwa einem Jahr wieder häufiger tue. Und ich kann gar nicht sagen, wie froh ich darüber bin, dass ich das wieder kann. Denn jahrelang lagen Kreide, Kohle, Bleistifte, Acrylfarben und Aquarellfarben in einer Kiste und litten dort vermutlich ebenso still vor sich hin wie ich. Dass ich all die schönen Farben und die Ideen befreien konnte, liegt vor allem an einem sagenumwobenen Ort, über den ich hier schon geschrieben habe. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt habe ich wieder richtig Spaß am Malen, es gibt keine bessere Methode, um zur Ruhe zu kommen. Und ich sehe bereits wieder eine gewisse Entwicklung zwischen den Bildern, die ich vor Weihnachten gemalt hab und denen, die ich zuletzt im Sommer aufs Papier gebracht hab.

Die oben zitierten Sätze haben zum Glück inzwischen keine Macht mehr über mich, aber zumindest zwei von ihnen haben mir über lange Zeit meine Kunst kaputt gemacht.

Der erste Satz wurde gesagt von einer damaligen „Freundin“, die zugegebermaßen sehr begabt war, was Malen und Zeichnen anging. Sie bezog sich darauf, dass ich (übrigens bis heute) von Fotos „abmale“. Ich konnte damals halt nicht eben mal so eine Flusslandschaft aufs Papier zaubern, sondern brauchte eine Vorlage. Ich hatte aber, als der Satz fiel, gerade mal etwa eineinhalb Jahre zuvor so richtig mit dem Malen begonnen, nämlich in der 11. Klasse. Bis dahin hatte ich halbwegs okay vor mich hingepinselt, es hatte immer für eine Zwei im Kunstunterricht gereicht. (Ob man in Fächern wie Kunst und Musik überhaupt Noten vergeben sollte, ist noch mal eine ganz andere Frage.) Ich hatte immer sehr viel besser malen können wollen, aber wie das bei mir immer so ist: Der Knoten platzt oft spät, dann aber richtig.

Ich kann mich erinnern, dass wir im Kunstunterricht irgendwas mit Sieg und Niederlage zeichnen sollten, ich nahm mir ein Leichtathletik-Buch als Vorlage zur Hand und zeichnete einen am Boden liegenden Läufer und die daneben stattfindende Siegerehrung, und ich weiß nicht genau, warum, aber diese Zeichnung gelang mir erstaunlich gut. Eventuell lag es an einer für mich neuen Schraffiertechnik, die mein damals neuer Kunstlehrer uns gezeigt hatte, und die mir irgendwie lag. Auf jeden Fall kam ein – wie ich fand – schönes Bild dabei raus und sogar eine Eins.

Von da an war ich nicht mehr zu bremsen. Ich malte mit Acrylfarben, mit Aquarellstiften, Bleistift und Kohle. Beim Malen und Zeichnen konnte ich am besten abschalten, ich war komplett weg, abgetaucht im Farb- und Formenrausch. Und endlich gelangen mir Bilder halbwegs so, wie ich sie mir im Kopf vorgestellt hatte. Es war so unfassbar toll.

Und klar – natürlich fehlten mir da noch die Grundlagen. Ich hatte nicht wie andere Leute schon als Kind ständig vor mich hin gekritzelt, Skizzenbücher gefüllt, Kurse belegt und somit dauernd geübt. (Ich habe Bücher mit Texten gefüllt, weil ich halt auch eine Begabung fürs Schreiben hatte.) Ich war zwar schon 19, aber noch eine Anfängerin. Bin ich jetzt, mehr als drölfzig Jahre später, eigentlich immer noch.

Trotzdem war ich überaus glücklich mit dem kleinen Bisschen Kunst, das ich mir erobert hatte. Und deswegen ärgerte mich dieser dämliche Satz umso mehr. Warum konnte die „Freundin“ damals nicht anerkennen, was ich bis dahin geschafft hatte? Oder halt einfach den Mund halten? Ich brauche bis heute Vorlagen, wenn ich was male. Oft fotografiere ich Motive im Urlaub nur deswegen, weil ich schon sehen kann, wie ich sie später malen werde – vom Foto. Und? Mir doch egal. Ich will damit ja kein Geld verdienen, ich mache das nur für mich und für Freund*innen, die halt ein Bild gemalt bekommen, wenn mir sonst kein Geschenk einfällt.

Der zweite Satz, der mit dem Öl, kam von einem Freund meiner Eltern. Ich war so stolz auf das, was ich bislang mit Acrylfarben und Aquarell gezaubert hatte, da wurde mir gesagt, nur wer mit Öl male, sei ein richtiger Künstler. Klar, als Schülerin oder Studentin kann man sich das Malen mit Öl auch locker leisten. Aber auch hier: Ich war erst mal nur stolz auf das, was ich bin dahin erreicht hatte, und plötzlich war das nichts mehr wert, weil es das „falsche“ Material war. Der Satz kommt mir immer mal wieder in den Sinn, wenn ich mit Hingabe ins Mischen von Acrylfarben eintauche oder fasziniert beobachte, wie sich die Aquarellfarben manchmal erst auf dem Papier zum gewünschten Farbton vermischen und das Meer plötzlich genau die Farbe bekommt, die ich haben wollte. Das ist die reine Magie, das ist Zauberei, und ich bin immer wieder überrascht, dass ich das kann. Ich habe die beiden Techniken für mich gefunden, und auch wenn ich gerne mal Ausflüge in die Pastellkreiden, Kohle, Bleistifte und Buntstifte mache, liebe ich Aquarell und Acryl einfach am meisten.

Der dritte Satz kam ebenfalls von einer Freundin, die, auf mein neues Hobby Malen angesprochen, diese Worte äußerte. Als ich ihr mal ein Bild malte, knickte sie es, um es in ihre Tasche zu kriegen. (Vielleicht sollte man aufs Kunstverständnis oder auf freundliche Worte von solchen Menschen sowieso wenig geben, aber ich war damals sehr verletzt.) Erst viel später begriff ich, dass dieses leicht beleidigte „ich könnte das nicht“ nur Ausdruck von Neid war. Die Dame war in der Schule viel besser als ich, also musste sie mir Kunst und Sport, worin ich besser war, madig machen. Es durfte halt keine Götter neben ihr geben.

Es ist jetzt nicht so, dass ich gleich mit dem Malen aufgehört hätte,wenn man mir dummes Zeug erzählt hat, aber ich hatte immer im Hinterkopf, dass es irgendwie besser sein muss, egal, wie schön ich selbst vielleicht ein Bild fand. Aber tatsächlich hab ich dann irgendwann aufgehört zu malen und zu zeichnen, wenn auch immer mit einem schlechten Gewissen, weil ich ein Talent brachliegen ließ. Die beiden ersten obengenannten Sätze waren nicht allein daran schuld, die Schreibblockade kam in etwa zur selben Zeit (über die Sätze, die mir das Schreiben versaut haben, berichte ich dann vielleicht ein andermal).

Was ich eigentlich sagen möchte, abgesehen von der Tatsache, dass ich möglicherweise übersensibel auf Aussagen meiner Mitmenschen reagiere, obwohl sie mir eigentlich scheißegal sind, ist: Behaltet eure Kommentare doch einfach für euch. Oder sagt einfach was Nettes, wenn es nicht allzu schwer fällt. Positive Verstärkung kann so viel bewirken, nicht alle Menschen fühlen sich von Kritik angestachelt, es besser zu machen. Manche werfen den Scheiß dann auch einfach in die Ecke und verlieren die Lust an ihrem Tun. Falls es das ist, was ihr beabsichtigt habt, macht natürlich gerne so weiter. Ist dann aber halt scheiße.

Ach so, und der vierte Satz?

Den sagten mir die Erzieherinnen im Kindergarten. Da malte ich nämlich immer und immer wieder, tagtäglich, wochen- und monatelang, dasselbe Motiv: ein Haus mit einer Sonnenblume davor. Meine Mutter fand das schön und sagte, ich würde jeden Tag besser. Also warum sollte ich was anderes malen, wenn meine Mama sich doch so darüber gefreut hat?

Und außerdem: Dem aufmerksamen Beobachter wird auffallen, dass die Bilder mitnichten immer gleich sind, sondern die junge Künstlerin hier mit den Farben experimentiert und auch Motive wie Sonne oder blauer Himmel variiert.

Möglicherweise hatte ich aber auch keinen Bock, mir stundenlang zu überlegen, was ich denn nun malen könnte oder irgendwelchen Erwartungen gerecht zu werden.

Vielleicht wusste ich aber auch damals schon, dass wahre Meisterschaft nur durch Schweiß, Übung und Wiederholungen zu erreichen ist.

Bücher meiner Kindheit

Zurzeit sortiere ich aus. Das mache ich phasenweise immer mal wieder gerne, und im Augenblick haben viele von uns ja Zeit für so was. Im Moment bin ich bei den Büchern, den Kinderbüchern, um genau zu sein. Ich habe schon immer viele Bücher gehabt, und Bücher sind ein Luxus, den ich mir fast immer leiste. Bücher sind Freunde, gute Freunde, manchmal die besten Freunde. Deswegen fällt es mir oft schwer, mich von ihnen zu trennen. Ich habe viele Bücher, die ich schon mehrmals gelesen habe und sicher noch einige Male lesen werde.

Es ist aber nicht so, wie ich mir mal vorwerfen lassen musste, dass ich mich nicht von Büchern trennen kann. Das kann ich sehr wohl, aber ich überlege gut, bevor ich das tue. (Aber selbst wenn ich es nicht könnte – wen kümmert’s? Also außer den Menschen, die meine Wohnung ausräumen müssen, wenn mich eines Tages ein freakiger Badezimmerunfall während des Homeoffice‘ dahingerafft hat?)

Mit Büchern ist es wie mit Freunden – viele bleiben lange, manchmal sogar ein Leben lang treu, wenn man sie besucht, weiß man, was einen erwartet: ein gutes Gespräch, eine Tasse Tee, Schnaps, warme Worte. Und so wie Freunde besucht man bestimmte Bücher zu bestimmten Zeiten, weil jedes etwas anderes bietet.

Aber wie bei Freundschaften wird man auch hier und da enttäuscht, weil sich Menschen auseinanderleben und bisweilen mit dem Alter komische Schrullen entwickeln. Das ist mir zuletzt mehrfach mit Kinderbüchern passiert, speziell denen, die von Frauen für Mädchen geschrieben wurden. Ich erinnere mich daran, dass ich diese Bücher verschlungen habe und dachte, so wie die Autorin wollte ich auch mal schreiben können. Und wenn ich das heute lese, wird mir regelmäßig schlecht angesichts des Frauenbildes, das dort teilweise transportiert wird. Da wundern sich junge Mädchen, warum sich der hübsche Student für sie interessiert, obwohl sie doch ganz klein und dumm seien (zum Beispiel bei Berte Bratt). Da wird voller Hochachtung von einem Mädchen gesprochen, das gerne ein Junge sein will und mit Werkzeug auch genauso gut wie ein Junge umgehen kann (zum Beispiel bei Elke Müller-Mees). Aber immer wieder wird betont, dass es sich dabei um ein sehr hübsches Mädchen handelt, puh, dann ist es ja gut. Aber wenn es sich doch nur ein bisschen besser kleiden würde, nicht immer so schlampig, ist es ihm denn ganz egal, wie es aussieht? Aber wenn der Vater etwas im Haus reparieren muss, fragt er nur diese eine Tochter um Hilfe, und das ist jedes Mal ein Ritterschlag. Und selbstverständlich ist es der Vater, der Sachen repariert, die Mutter hält die Bude nur notdürftig zusammen, wenn „der Mann“ auf Dienstreisen ist. Das klappt zwar einigermaßen, aber am Ende sind alle froh, dass er wieder da ist und alles endlich richtig instandsetzen kann. Halleluja. Mädchen sind halt noch richtige Mädchen, wenn sie sich hübsch zurecht machen, mit Schminke umgehen können, sich für Jungs interessieren und ansonsten die Fresse halten. Und das sind keine Bücher aus den 30ern oder 40ern, die sich in unserem Haushalt auch noch finden, sondern aus den 80ern. Und in „Försters Pucki“ aus dem Jahre 1935 findet sich gar folgender, das Herz erfreuender Textabschnitt:

„Du brauchst mit den drei Buben nicht immer mitzuklettern. Kleine Mädchen müssen artiger sein als Jungen.“
„Warum denn, Mutti?“
„Weil sie schon ein viel feineres Stimmchen haben und weil sie der liebe Gott nicht so kräftig geschaffen hat wie die Knaben.“

[…]

„Oh, ich hab schon Kräfte. Der liebe Gott hat gemeint, ich bin ein Junge.“
„Du bist unser liebes, kleines Mädchen und sollst es bleiben. Ich möchte auch ein artiges kleines Mädchen haben, keinen Eigensinn, wie du manchmal einer bist. Du sollst doch später ein liebes Mädchen werden, das alle Menschen gern haben.“

Ich hab mich neulich beim Lesen mal gefragt, wie ich angesichts solcher Lektüre halbwegs gescheit im Kopp werden konnte. Andererseits – wie soll man da nicht zur Feministin werden?

Und sonntags ein bisschen Kunst

Was Jersey so mit einem macht – da ist man gerade mal einen Tag auf einer anderen Insel, schon hat man fast Heimweh. Und das Heimkommen gestern fühlte sich auch fast so an, als sei ich nach einer langen Reise wieder zu Hause. Und weil heute Sonntag war, war mir nach einem Besuch im Jersey Museum and Art Gallery. Ein bisschen Geschichte und Kunst am Wochenende haben noch niemandem geschadet. Und außerdem taten mir von den 17 Kilometern auf Sark dermaßen die Füße weh, dass ich keine weiten Spaziergänge unternehmen wollte.

Das Museum ist in mehrere Bereiche aufgeteilt, und jeder bietet was für alle Altersgruppen. Ganz am Eingang zum Beispiel ein Tastbild, bei dem das Anfassen nicht nur gestattet, sondern sogar erwünscht ist:

Immer wieder begegnet einem die Kröte, sinnbildlich für die Einwohner Jerseys. (Die von Guernsey sind übrigens Esel, also Donkeys. Falls die Frage mal bei Günther Jauch drankommen sollte.)

Folgender Herr ist fast zu echt, da gruselt es einen fast ein bisschen.

Das untere Bild zeigt sämtliche Dinosaurierknochen, die an einer bestimmten Ausgrabungsstelle der Insel gefunden wurden – oder auf der ganzen Insel? Ich weiß es nicht mehr, verklagt mich, es ist bereits September, während ich das schreibe.

Der innere Aufbau eines Martello-Turms, davon finden sich ja einige auf den Kanalinseln:

Sie haben ein Händchen dafür, Geschichte erlebbar zu machen, diese Insulaner. Bei diesem konspirativen Treffen am Küchenfenster fängt man unwillkürlich an, auf Zehenspitzen zu laufen.

(Feld-)Postkarten mit Stickerei, das sollte man dringend wieder einführen.

Ein paar Türen weiter gelangt man in das Haus einer Kaufmannsfamilie aus dem 19. Jahrhundert, das ganz wunderbar hergerichtet ist. Nicht ganz so wunderbar aber geht es der Familie, denn sie steht vor dem Ruin. Deshalb finden sich an zahlreichen Möbeln und Gegenständen im Haus Preisschilder, und bei dem einen oder anderen war ich doch in Versuchung, mitzubieten. Könnte bloß schwierig mit dem Reisegepäck werden.

Mittels einer Art von holografischer Installation kann man der Familie von Charles Ginestet sogar recht nahekommen und sich anhören, was die einzelnen Mitglieder zu erzählen haben.

Ein Highlight, zumindest für mich, war die Handarbeitsausstellung. Dabei wird weitaus mehr gezeigt als nur ein paar Häkelarbeiten älterer Damen, wenn auch diese Darstellung von „The Death of Major Peirson“ in der Schlacht um Jersey sehr beeindruckend ist:

Schwer zu ertragen aber diese Szene vom Modellbahnhof. Was macht man da? Schafe können doch nicht alleine wieder aufstehen, man soll ihnen ja helfen, wenn man so was auf dem Acker sieht, aber hier stand was von „Do not touch“ dran, da steht man doch etwas hilflos davor und muss sich darauf beschränken, dem Schaf gut zuzureden. Aber wenn einer der geneigten Leser demnächst mal da vorbeikommt, hätte ich gerne gewusst, ob das Schaf wohlauf ist. Verbindlichsten Dank.

Einsamkeit, Symbolbild:

Für den Nachmittag hatte ich mir ja eigentlich noch einen kleinen Spaziergang vorgenommen, aber … Warum sollte ich mich hier wegbewegen? Warum.

Not an Instagram Life

Wie ich sie hasse, diese perfekt gestylten Mädchen in ihren perfekten Wohnungen, die sich morgens als Erstes zu klassischer Musik einen Tee in ihrer blitzsauberen Küche kochen und sich dann zusammen mit ihrer Katze überlegen, was sie denn wohl heute Schönes kochen und wie sie sich und ihren Lieben das Leben schön machen können. Schön und noch perfekter, als es eh schon ist. Diese Mädchen sehen aus, als hätten sie keinerlei Verdauung und wenn doch, dann kacken sie Rosen und Nüsse. Sie wuppen alles mit Leichtigkeit, nichts ist ihnen zu schwer, nach einem vollgepackten Arbeitstag in der Einhornschule gehen sie noch einkaufen und anschließend ins Fitnessstudio, wo sie ihre eh schon makellosen Körper in Form bringen, dabei wie schon den ganzen Tag über perfekt gekleidet sind und natürlich nicht ansatzweise  schwitzen. Vielleicht transpirieren sie ein wenig, aber das riecht dann nach Lavendel. Alles ist Glitzer und Glamour, alles blitzt und blinkt, it’s all so shiny.

Ich habe eben in den ältesten Sportklamotten, die ich besitze, Krafttraining gemacht (nach einem gesunden und nahrhaften Frühstück, bestehend aus Limettenmuffins und Käsebrot), dabei geschwitzt wie ein Schwein und anschließend gestunken wie ein Puma. Mein Platz im Wohnzimmer ist sehr deutlich als mein Platz zu erkennen, weil da die ganzen Krümel von den Tortillachips liegen, die ich zu Mittag hatte. Und wenn ich lange genug in meinem Unterhemd suche, finde ich da sicher auch noch welche. Ich habe keine perfekte kleine Hauskatze, die mir zur Begrüßung abends freundlich um die Beine streicht, ich habe schlechterzogene Elche. Wenn ich einen Scheißtag im Büro hatte, und das habe ich oft, kann ich nicht mehr einkaufen gehen, weil ich den ganzen Supermarkt in Schutt und Asche legen würde, weil mir die Menschen da so unsagbar auf die Nerven gehen. Da ess ich lieber auch noch zum Abendessen Chips und trinke Leitungswasser, anstatt abends einkaufen zu gehen. Wenn ich joggen gehe, dann frühmorgens im Schutz der Dunkelheit, weil mich dabei Menschen sehen könnten, die meine Mitarbeiter sind und dann jeglichen vielleicht noch vorhandenen Restrespekt verlieren könnten.

Was ich sagen will: Ich tauge so was von überhaupt nicht für Instagram, ich habe keinen Instagram-Husband, der mich gekonnt in Szene setzen könnte, ich bin viel zu faul, um auch nur ansatzsweise den Schein zu erwecken, dass ich ein perfektes Leben hab und überhaupt. Weil ich bei Instagram aber nun auch einen Account hab, mache ich mit dem … was anderes.