Warum das Internet nicht böse ist

Das Internet ist unpersönlich, böse und voller Idioten.

Das glaubt Ihr mal alle schön weiter, die Ihr nicht täglich im Netz zu tun habt. Ich dagegen habe übers Internet so unglaublich viele tolle Menschen kennengelernt, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll, die alle zu beschreiben. Einige dieser Menschen kenne ich inzwischen persönlich, andere (noch) nicht, mit vielen kann ich nur übers Internet Kontakt halten, weil sie nicht mehr in meiner Nähe wohnen.

Ohne das böse, böse Internet und diesen großartigen und arschcoolen Text hätte ich zum Beispiel Mademoiselle Scholli nie kennengelernt. Und dann wären so viele Dinge anders gekommen und die Welt wäre ein schlechterer Ort, weil jemand anders und nicht wir dann in wenigen Jahren die Weltherrschaft innehätten. Das würden wir natürlich nicht wissen, wenn es anders gekommen wäre, aber es ist trotzdem keine schöne Vorstellung.

Ohne das böse Internet hätte ich auch nie die Damen Torszenen oder Neverevertown kennengelernt, ich hätte nie von NaLos Mehrblick von der zauberhaften Anastasia von AnderStark gehört, die ich hoffentlich bald auf mindestens einen Kaffee treffen werde und für die ich hoffentlich noch ganz viele Gastbeiträge schreiben darf.

Neulich abends ging es mir nicht so gut, die Gründe sind doof und egal, aber es war eben so. Ich hatte was erfahren, was an meinem Selbstbewusstsein gekratzt hatte, obwohl es das nicht hätte tun müssen. Rational gesehen wusste ich das, aber das Herzchen hatte trotzdem ein wenig gemuckt. Befeuert von zwei Bierchen, twitterte ich daraufhin: „Kann mir mal grad einer sagen, dass ich toll bin? Ist relativ dringend.“

Ich weiß: billiges Betteln um Zuneigungsbekundungen. Ich hätte auch wen anrufen können, aber da ich weder erklären wollte, was los war noch es überhaupt so richtig hätte in Worte fassen können, hab ich es eben getwittert. Nur so halt, weil es raus musste. Und innerhalb von wenigen Minuten hatte ich (auf total coole und männliche Art natürlich) Tränen der Rührung in den Augen, weil mir Menschen, die ich teilweise nicht einmal persönlich kenne, schrieben, ich sei „megasupitotaltoll“, „kurz vor dem Status einer Tollität“, „toll! #Servicetweetvomherzenkommend“, „Du bist super toll! Lass Dir nix anderes einreden“, „super“, „Du bist übertoll. Und du solltest das nie, nie, nie auch nur im geringsten anzweifeln“. Das tat gut, und es war genau für den Moment das Richtige. Das böse, unpersönliche Internet und zweiunddrölfzig Bierchen ließen mir innerhalb weniger Minuten wieder die Sonne aus dem Arsch scheinen. Das kann ja so verkehrt nicht sein, oder?

Und wer hatte früher nicht Brieffreunde, mit denen er oder sie jahrelang schrieb, ohne sie auch nur einmal zu treffen? War das so viel anders? Und wenn man heute jemanden kennenlernt, ist es so viel einfacher, über Communitys, Mail, Blogs etc. in Kontakt zu bleiben als über Briefe. Die beste Zeltmitbewohnerin der Welt, die ich in Kanada kennenlernte, lebt in Australien. Wenn es nur über Briefe ginge, wären wir sicher nicht mehr in Kontakt.

Oder auch ganz profan: Neulich suchte ich aus beruflichen Gründen die chinesische Übersetzung von „kleiner Hase“, und dank Twitter hatte ich sie innerhalb von wenigen Minuten. Es brauchte zwei Retweets und eine Nachfrage, schon hatte ich die Antwort. Und ohne Internet könnte ich nicht ehrenamtlich für die Fanabteilung des BVB Texte korrigieren und schreiben. Das wäre blöd. Finde ich.

Edit: Ohne Internet hätte ich auch niemals meine zwischenzeitliche Mitbewohnerin kennengelernt. (Wobei ich natürlich ihre Mitbewohnerin war.) Ich hätte somit ohne Netz sehr viele spaßige Abende auf dem Kiez verpasst und viel öfter nüchtern zur Arbeit gehen müssen als nötig. Aber vor allem hätte ich zu Beginn meiner Zeit in Hamburg kein Dach über dem Kopf gehabt. Und jetzt kommt ihr!

Natürlich ist das Internet voller Trolle, Stalker und Idioten. So wie das echte Leben halt auch. Die Kunst hier wie da ist, diese Spacken zu vermeiden, auch wenn sie im Internet aufgrund der Anonymität meistens noch dreister sind als in echt. Man muss halt sehen, die Idioten zu umkurven, genauso wie man im echten Leben versuchen sollte, nicht in jeden Hundehaufen zu latschen. Und selbst wenn man mal voll in die Scheiße rauscht – die vielen schönen Blümchen am Wegesrand reißen es wieder raus.

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