Mann für einen Tag

Da schreibt eine junge (haha) Frau, die so rein karrieremäßig nicht mehr ganz unten in der Nahrungskette steht, unter dem Hashtag #MannfuereinenTag sinngemäß in etwa folgenden Tweet „Nicht sofort gefragt werden, ob mein Chef da sei, obwohl ich die leitende Redakteurin bin.“

Weil es nämlich kolossal nervt, wenn man nur ans Telefon geht und für eine Tippse gehalten wird, die keine Ahnung hat. Weil es nervt, wenn zwei Minuten, nachdem man jemandem am Telefon was erklärt hat, der Apparat des männlichen Kollegen neben einem klingelt, der der betreffenden Person alles noch mal wortwörtlich genauso erklärt. Weil es nervt, dass Kollegen, die erst zwei Jahre da sind für kompetenter gehalten werden als die Frau, die die Abteilung vor zehn Jahren mit aufgebaut hat.

Was passiert als Nächstes? (Ach ja, um die Sache spannend zu machen, enthält der Tweet dummerweise ein „N“ an einer Stelle, an die es nicht gehört.)

Zwei Frauen faven den Tweet (Yes, sisters, I know you feel me).

Ein Mann, der keine Follower hat und erst einen Tweet geschrieben hat, antwortet: „Bei solchen Tweets kein Wunder, dass man Ihnen die Position nicht zutraut.“

Ein anderer Mann schreibt: „Als leitende Redakteurin wissen Sie ja sicher, dass das eine „N“ da nicht hingehört.“

Ein dritter Mann schreibt: „In der Position und dann so in Watte gepackt? Wie passt das denn zusammen?“

Es gibt Tage, an denen ich so was kalt lächelnd mit der witzigsten, besten, ironischsten Antwort kommentiere, die jemals auf Twitter veröffentlich wurde und denke: „Leckt mich doch am Arsch, ihr hohlen Kackbratzen. Genau wegen Spacken wie euch brauchen wir Feminismus, und wir werden gewinnen.“

Heute ist nicht einer dieser Tage. Heute hab ich nur den Tweet gelöscht und die Deppen blockiert.

Manchmal ist man halt schon am Anfang eines langen Weges erschöpft.

Wie liegen Sie denn hier?

Zu meinen liebsten Vergnügungen im Sommer gehört es, ganze Nachmittage auf einer Wiese im Volkspark zu verdödeln. Manchmal hab ich eine Kühltasche mit Bierchen dabei, gelegentlich auch eine kleine Flasche Rotwein, immer ein Buch oder was zu schreiben. Ich liege da dann sinnlos in der Sonne, drömmele so vor mich hin und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein. Also zumindest dann, wenn man mich dabei in Ruhe lässt. Leider ist das immer öfter nicht der Fall.

Als ich letztens auf meiner Lieblingswiese lag und mir gerade meine Hosenbeine ein wenig höherzuppelte, damit auch die Knie ein wenig Sonne abbekommen mögen, hörte ich hinter mir zunächst ein „Uh oh!“, dann ein albernes Kichern. Als ich mich umdrehte, stand auf dem Weg in ein paar Metern Entfernung eine Frau, kicherte noch mal und sagte „Hallo“. Da ich die Frau nicht kannte, sagte ich nichts und drehte mich wieder um. Mit Fremden soll man ja nicht sprechen.

Blöderweise sprechen Fremde aber oft mit mir.

Ob sie mir mal was sagen dürfe, fragte die Frau und kam ungefragt näher. Ich entgegnete „WAS DENN.“ Mit diesem Unterton, der deutlich hörbares „Nein, halt die Fresse“ beinhaltete. Was aber seltsamerweise die meisten Leute überhören. Es ist so ein Elend mit dieser Welt, keiner ist mehr empfänglich für Zwischentöne. Im Folgenden kam es somit zu diesem Dialog:

Sendungsbewusste Frau (SF): Wissen Sie eigentlich, dass hier in der Nähe ein Flüchtlingsheim steht?
Ich: JA.
SF: Und dass da viele junge Männer wohnen?
Ich: JA.
SF: Die gehen auch oft hier im Park spazieren.
Ich: JA. UND?
SF: Da sollten Sie vielleicht mal überlegen, ob Sie hier SO liegen wollen.
Ich (nach einem kurzen Moment der Sprachlosigkeit): Ich wohne hier seit zehn Jahren, und genauso lange liege ich auch schon auf dieser Wiese herum, und es gab noch nie Probleme.
SF: Ich meinte ja auch nur.
Ich: Es ist mir egal, was Sie meinen. Lassen Sie mich gefälligst mit Ihrem Scheiß-Rassismus in Ruhe.
SF: Also Rassismus ist ja nun völliger Quatsch.
Ich: Gehen Sie einfach weg und lassen mich hier liegen.

Offenbar hatte ich jetzt endlich den richtigen Ton getroffen, der die Dame zum Rückzug veranlasste.

Bevor ich dazu übergehe, diese auf so vielen Ebenen verstörende Begegnung genauer aufzudröseln, möchte ich dem geneigten Leser zur Verdeutlichung erst einmal das Outfit des Anstoßes zeigen. Es handelt sich dabei um diese exklusive Kombination:

Man sieht, auch wenn es leicht verwackelt ist: Es handelt sich um eine ausgeblichene, abgeschnittene Jogginghose und ein Top, also Kleidungsstücke, die quasi nichts mehr der Fantasie überlassen. Ein Wunder also, dass ich nicht ständig überfallen werde, wenn ich so unterwegs bin. (Einmal ist mir das auch tatsächlich passiert, dass ich im Volkspark sexuell belästigt wurde, als ich in oben gezeigtem Outfit vor mich hin faulenzte – von einem widerlichen alten weißen deutschen Mann. Der bereut vermutlich heute noch, dass er sich mich dafür ausgesucht hatte, aber das nur am Rande.)

Und damit zur Tirade.

Zunächst mal: Natürlich weiß ich, dass da in der Nähe des Schulgartens im Altonaer Volkspark seit einiger Zeit ein Flüchtlingsheim steht. Und als das Heim bezugsfertig war, waren durchaus viele junge Männer, die man als regelmäßiger Im-Park-Lieger noch nie gesehen hatte, dort unterwegs. Logisch, wenn man irgendwo neu hinkommt, erkundet man erst mal die Umgebung. Da saßen dann die jungen fremden Männer in Grüppchen im Park herum, telefonierten mit dem Handy, unterhielten sich und lachten gelegentlich sogar laut. Schockierend, oder? Manche Männer hatten auch Frauen und gar Kinder dabei, die da einfach so spazieren gingen und spielten. Es war das reine Chaos. Es herrschte quasi Anarchie im Park. Es war kaum noch auszuhalten.

Angesprochen wurde ich seit dem Aufbau dieses Flüchtlingsheims von einem der Bewohner übrigens genau einmal. Es war ein etwas kühlerer Abend im Frühling, ich trug lange Hosen sowie eine Jacke und der junge Mann aus Syrien, der mich angesprochen hatte, erklärte mir, er lerne Deutsch und würde sich freuen, wenn ich mich zwecks Verbesserung seiner Sprachkenntnisse ein bisschen mit ihm unterhalten wolle. Ich wollte nicht (denn ich will mich im Park nie unterhalten), ich wollte einfach nur da sitzen. Das teilte ich ihm freundlich mit, er bedankte sich ohne Groll und ging wieder. Eine Begegnung, die jederzeit hätte eskalieren können, ich zittere immer noch, wenn ich daran denke.

Ich weiß nicht, ob die Dame nun wirklich implizieren wollte, dass alle jungen männlichen Flüchtlinge deutsche Frauen sofort bespringen wollen, weil sie nicht damit klarkommen, dass hier und da mal eine nackte Schulter oder ein entblößtes Knie zu sehen ist. Vielleicht hat sie es sogar wirklich gut gemeint, aber wie wir wissen, ist das meistens das Gegenteil von gut. Denn klar – wenn Männer, die sich nicht benehmen können, das Problem sein sollen, hilft es sicher, Frauen zu sagen, wie sie sich anziehen sollen. Es hilft ganz bestimmt, Frauen einzureden, dass sie selbst schuld sind, wenn jemand bei ihrem Anblick auf dumme Gedanken kommt. Das funktiniert bei sexueller Belästigung und schlimmeren ja seit Jahrzehnten ganz hervorragend. Und wir lassen hier mal außer Acht, dass es sich bei dem fraglichen Outfit um die ältesten Klamotten handeln, die ich besitze und die alle wichtigen und unansehnlichen Körperteile verhüllen. Und wir lassen auch außer Acht, dass nur ein paar Tage später Mädel neben mir im Bikini im Park lagen, die sich aufgrund der Abwesenheit der strengen Sittenwächterin natürlich keinen Spruch reindrücken lassen mussten.

Vielleicht wollte die Dame ja die jungen Flüchtlingen auch nur davor bewahren, einen Kulturschock zu erleiden. Aber auch das ist übergriffig und bevormundend, denn sie hat nicht in einer Art vorauseilendem Gehorsam zu bestimmen, was andere stören könnte. Aber selbst wenn sich jemand aus dem Ausland gestört fühlen sollte – wir leben hier nun mal in einer anderen Kultur, und wer herkommt, kann nicht erwarten, dass sich die Welt nun plötzlich um ihn dreht. Ich weiß natürlich, dass deutsche Touristen im Ausland so ticken, aber so funktiniert es ja nun mal nicht. Wenn wir miteinander klarkommen wollen, müssen wir das im Dialog lösen und nicht damit, indem man entscheidet, was jemand sehen darf und wie sich jemand anders zu kleiden hat. Und darüber, was junge geflüchtete Frauen denken könnten, wenn sich Männer im Park bis auf die Unterbuxe ausziehen und sich breitbeinig sonnen, macht sich interessanterweise keiner Sorgen.

Nur mal kurz zuhören?

Wann hat das eigentlich angefangen, dass man sofort einen dämlichen Allgemeinplatz oder einen unpraktikablen Lösungsvorschlag um die Ohren gepfeffert bekommt, wenn man jemandem ein Problem schildert oder nur mal kurz jammern will, weil manchmal eben ein Jammer in einem steckt, der raus muss?

Da erwähnt man mal kurz, dass es im Job derzeit nicht so leicht ist/der Mann spinnt/die Kinder zurzeit unleidlich sind/der Nachbar rumlärmt/das Auto eine teure Reparatur braucht/hier beliebiges Problem einsetzen, schon heißt es als Erstes garantiert: „Na ja, reg dich doch nicht so auf/So ist das eben manchmal/Da musst du dich halt mal behaupten/andere haben es viel schwerer/hier beliebigen Allgemeinplatz einsetzen.“ Und wenn man dann sagt, dass all das eben nicht so einfach sei, weil das Problem vielleicht etwas schwerer wiege, kommt sofort die Endlösung auf dem Silbertablett: „Dann kündige doch/zieh doch aus/trenn dich halt/gib das Kind ins Heim (okay, der war übertrieben, aber das wäre doch mal ein Knaller)/verkauf das Auto, brauchst du doch in der Großstadt eh nicht/spreng halt alles in die Luft/hier beliebige Endlösung einsetzen.“ Wenn man dann wiederum sagt, das sei vielleicht eine Nummer zu groß und übertrieben und aus diversen Gründen nicht möglich, bekommt man garantiert gesagt, dann solle man sich auch nicht beschweren, man wolle sich ja offensichtlich gar nicht ändern und solle nun bitte still in seinem selbstgewählten Elend verharren.

Es ist, als wollten andere erstens bestimmen, welches Problem man haben soll und zweitens, wie man sich damit zu fühlen habe. Aber so funktioniert das nicht. Derjenige, der eigentlich nur mal zuhören, Kaffee kochen und Kekse hinstellen und hier und da ein emphatisches „Ach je“ einstreuen sollte, anstatt gleich mit dem inneren Auge das Hirn nach einer Lösung abzusuchen, schafft es mit seinem Verhalten, die ganze Diskussion auf sich zu lenken, sie zu seiner Diskussion zu machen. Derjenige, der sich nur mal auskotzen möchte, kommt kaum dazu, weil er sofort in eine Rechtfertigungshaltung gedrängt wird, sich erklären muss, warum er an seiner Lage nichts ändert, warum er überhaupt so schwach ist, dass er sich schlecht fühlt und die Probleme nicht einfach weglächelt. Dazu, sich einfach mal Luft zu machen darüber, dass das Leben gerade vielleicht nicht so nett zu einem ist, kommt er überhaupt nicht. Und dabei hat er möglicherweise nicht mal auch nur ansatzweise gesagt „Hast du einen Vorschlag, wie ich mich verhalten soll?“, weil er sich nämlich einfach nur mal was von der Seele reden musste.

Was soll das? Wo kommt das her? Ist das von diesem ganzen Selbstoptimierungswahn, der von uns verlangt, ständig an uns zu arbeiten? Oder vom „Trend“, nur noch auf sich selbst zu schauen und alles aus der eigenen Weltsicht heraus zu beurteilen und zu kommentieren? Oder vielleicht aus der Hilflosigkeit heraus, nicht auf alles eine Antwort zu haben? Überraschung: Manchmal muss man gar nicht auf alles eine Antwort haben und zu allem seinen Senf dazugeben. Manchmal sollte man einfach nur zuhören und mitfühlend nicken. Das scheint mir eine Kunst zu sein, die immer weniger Menschen beherrschen. Und mal angesehen davon, dass das sehr traurig ist, nervt es auch kolossal.

Scheiß auf Zen

Ich hab es echt versucht. Ehrlich. Ich wollte ein besserer Mensch sein. Weniger schreien. Ruhig, höflich zu allen sein, den Widrigkeiten des Alltags mit den wissenden Lächeln begegnen, dass sich die ganze Aufregung nicht lohnt, weil wir nur ein Staubkörnchen im All sind. Im Geiste ein *boing-flip*-Geräusch machen, wann immer mir jemand Übles will, damit das Üble direkt zu ihm zurück fliegt und ihn auf seinen miesen kleinen Ar… auf den Rücken wirft. Ich habe mich redlich bemüht. WIRKLICH.

Es ging auch eine Weile gut. Und ich muss sagen, es hat mir gar nicht so schlecht gefallen. Denn wenn man Leute anschreit, geben die ja immer Widerworte, auch wenn sie unrecht haben. Also lasss die Leute sich doch nicht bedanken, wenn ich ihnen die Tür aufhalte. Lass die Rentner doch überall vordrängeln, die haben ja nicht mehr so viel Zeit. Kindergeschrei auf dem Hof? Ach, die lieben Kleinen sind doch unsere Zukunft.

Es war wirklich nett, mal so zen-mäßig unterwegs zu sein. Ich war zwar abends nicht entspannter, sondern eher noch müder und bekam Verdauungsbeschwerden von all dem runtergeschluckten Ärger, aber hey – Karmapunktesammeln ist nichts für Weicheier.

Es hätte also alles so schön sein können. Aber dann war mein Urlaub zu Ende und ich begann wieder, mit der Deutschen Bahn zu fahren.

Es begann schon vor der Reise. Nachdem ich meine diesmal ziemlich schwere Tasche bis zur S-Bahn geschleppt hatte und schweißnass (schon um kurz nach 7 Uhr kein guter Start für einen olfaktorischen unauffälligen Tag) am Bahnhof Altona saß, kam die Durchsage, dass der Zug erst zehn Minuten später bereitgestellt werden könne. Ach nee, doch 30 Minuten. Ach nee, schulle, doch erst 50 Minuten. Während die Medizin-Studentin neben mir nun jeden zufällig durchs Bild laufenden Bahnmitarbeiter mit der Frage belästigte, ob die 50 Minuten jetzt von der Abfahrtszeit aus gemeint seien oder „on top“, dachte ich: „Prima. Endlich mal richtig viel Zeit zum Lesen.“

Als der Zug endlich kam, wurde natürlich nur Medizinpüppi von den umstehenden Herren gefragt, ob man mit dem Gepäck behilflich sein könne. (Ich nahm das als Kompliment, weil ich natürlich viel zu wenig hilfsbedürftig aussehe.) Die Bahn machte sich den Spaß, mit dem korrekten Beschriften der Waggons und reservierten Plätze zu warten, bis wir alle uns einfach irgendwo irgendgesetzt hatten, woraufhin Medizinpüppi die sorgsam aufgebauten Bücher und den Laptop wieder einpacken und sich den richtigen Platz suchen durfte. Das war sicher die Rache für die dummen Fragen an die Bahnmitarbeiter.

Auf dem Weg zu meinem reservierten Platz machte ich diverse Male Leuten Platz, die mir entgegenkamen, sich aber nicht bedankten. Und ich schwöre, ich hab nur einmal gesagt: „Danke, dass ich Ihnen Platz machen durfte.“ Das allerdings ziemlich laut. Sorry. (Not.)

Am Hauptbahnhof begann das Chaos. Gefühlte Millionen Leute stiegen ein, darunter eine Schulklasse. Natürlich. Es ist ja immer eine Schulklasse. Eine Schulklasse, die mit Mülleimern klappert, von Facebook gewöhnt ist, der Welt lautstark mitzuteilen, was gerade passiert („ICH ESSE EINEN APFEL!“), durch den Waggon brüllt und sich gegenseitig unter genervter Nennung des Namens zurechtweist („OH MANN, NEEEEELEEEE!“). 30 Mal in der Minute.

Mir gegenüber ließen sich zwei alte Damen nieder, die aufgrund der besonderen Umstände ganz unrentnermäßig nicht „Wir haben reserviert“, sondern „Alle Reservierungen sind aufgehoben, wir setzen uns jetzt irgendwo hin!“ skandierten. Das taten sie auch, schickten die Leute wieder weg, die eigentlich auf diesen Plätzen reserviert hatten und gingen immer dann aufs Klo, wenn der Zug irgendwo hielt, weil ja dann noch nicht genug Leute auf den Gängen rumstehen. Als ich die eine fragte, ob ich ihr den Koffer nach oben wuchten sollte, antwortete sie (und zwar mit all der in 80 Jahren angesammelten Pampigkeit, die ihr zur Verfügung stand): „NEIN! Der bleibt hier unten stehen!“ Kein Problem, ich bin ein verdammter Buddha, ich brauche keinen Dank.

Beim Umsteigen in Hannover war mein Zug natürlich lange weg, aber der nächste fuhr schon wenige Minuten später. Blöderweise hatte ich für den keine Reservierung. Ich stellte mich also auf Stehen ein, um überrascht festzustellen, dass der Zug relativ leer war. Blöderweise aber waren die meisten freien Sitze reserviert. Für Füße, Laptops und Kaffeetassen. Ich fing so langsam wieder an, die Menschen zu hassen und ihnen die Pest an den Arsch zu wünschen. Mir doch scheißegal, wenn ich für jeden Fluch im nächsten Kackleben wieder ein verdammtes Jahr mehr als dämliche Ameise leben muss. Das wurde nicht besser, als jemand in Bielefeld zustieg und mir beschied, ich solle doch mal an die Seite gehen, damit er seinen Koffer dahin stellen könne.

Der Rest der Fahrt verlief einigermaßen entspannt, wenn man davon absieht, dass ich allmählich unangenehm unter den Armen zu riechen begann und nicht lesen konnte, weil ich, wenn ich im Zug stehe und lese, irgendwann jemanden auf die Füße kotze.

Als ich schließlich in Lippstadt angekommen war, mein Vater meine schwere Tasche trug und ich mich auf Rouladen und Rotkohl zum Mittagessen freute, war es mir auch schon fast egal, dass wir in der Bahnunterführung beinahe von einem Rentner auf dem Rad umgenietet wurden, der behauptete, er dürfe hier fahren (darf er nicht) und ein paar weitere Scheißschüler meinen Vater als „Oh, Mann, Alter!“ beschimpften, nur weil er bat, nicht die ganze Breite des Ampelübergangs zu blockieren, sondern auch andere Leute mal vorbeizulassen. Ich hatte schon fast wieder meine zen-mäßige Ruhe.

Bis meine Mutter im Auto zwei Schülerinnen anhupte, die, ohne auf Autos etc. zu achten, simsend auf dem Rad hintereinander herfahrend plötzlich meinten, nebeneinander herzufahren, sei doch viel cooler. Mein Mutter hupte, die eine rief etwas Unflätiges und ich kurbelte das Fenster runter und brüllte so laut, dass es vermutlich noch in Soest zu hören war: „Verdammte Scheiße, NICHT NEBENEINANDER FAHREN, IHR BLÖDEN SCHNEPFEN!“

Aaaaaah. Willkommen zu Hause, Hulk Girl.

Mami, was bedeutet W****g******?

BVB – Hannover 96 4:1

Das Schöne am Stadionbesuch ist ja, dass man auch abseits des Spiels genug erlebt, das sich verbloggen lässt. Zum Beispiel, wenn das Spiel abgesehen vom Ergebnis zumindest in der ersten Halbzeit so schlecht war, dass einem vor dem kommenden Revierderby Angst und Bange wird. Denn Schalke wird sich wohl nicht so abnagen lassen wie die zurzeit völlig neben sich stehenden Hannoveraner.

Am Wochenende hatten meine Eltern und ich mal wieder das seltene Vergnügen, alle drei ins Stadion gehen zu können. Und wie immer, wenn drei ältere Herrschaften wie wir verreisen, fahren wir immer ganz früh los, um nicht in den Stau zu kommen oder im Falle eines Staus immer noch genug Zeit zu haben. Wir stehen im Stadion nämlich gern hinter so einem Wellenbrecher. Die haben den Vorteil, dass man selbst dann noch was sieht, wenn ein 2,04m-Riese vor einem steht. Hinter so einem Wellenbrecher hat man immer freie Sicht auf Owomoyelas Fehlpässe, vertändelte Torchancen von Zidane oder Klopps geballte Faust. Um da stehen zu können, muss man allerdings früh genug da sein.

Klappte dieses Mal auch. Bis Torben-Hendrik* und sein ökologisch-politisch korrekter, mit Ziegenbart bestückter, aber von Fußballsachverstand völlig befreiter Vater kamen. „Darf sich der Torben-Hendrik wohl hier auf den Wellenbrecher setzen? Der ist noch so klein“, fragt es auf einmal neben mir. Und weil ich ja so ein guter Mensch bin, sagte ich nicht: „Dann musste mit Torben-Hendrik entweder nen Sitzplatz nehmen oder früh genug kommen oder gleich ins Ballett gehen!“, sondern brummelte nur: „Wenn es denn sein muss …“ und machte Platz, sodass die beiden sich zwischen meine Mutter und mich drängeln konnten. Und ertrug leise stöhnend, dass beide erst beim Eckenverhältnis von 3:1 für den BVB kapierten, dass es sich dabei eben um die Ecken und nicht den fehlerhaft eingeblendeten Spielstand handelte.

Doch dank Schiri Wagner bekam Mats Hummels in der 39. Minute eine unberechtigte gelbe Karte und ich damit meine Gelegenheit zur Rache an meinem ökologisch-politisch korrekten Nebenmann. Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, als Torben-Hendrik später am Abendbrottisch fragte, was denn wohl all die schlimmen Wörter bedeuten, die die Frau mit den wirren Haaren neben ihm im Stadion auf den Platz gebrüllt hatte.

*Torben-Hendrik hieß natürlich nicht Torben-Hendrik, sondern hatte einen anderen ökologisch-politisch korrekten Vornamen.

Auf dem falschen Fuß erwischt

Da komm ich von der Wohnungsübergabe, hab die Räume ausgemessen und im Geiste schon die Möbel gestellt, freu mich auf meinen Besuch beim Möbelhaus morgen Abend und inzwischen auch wirklich auf die Wohnung – sprich, ich hab seit einiger Zeit endlich mal wieder sowas wie gute Laune.

Und prompt zieht sich der Bekloppte im Bus neben mir die Schuhe aus und fängt an, mit mir zu füßeln.

Annahme verweigert

Ich hab ja schon öfter gedacht, dass ich altersmilde werde und mir darüber Sorgen gemacht. Inzwischen aber erkenne ich ganz deutlich die Vorteile. Ich muss nicht mehr jeden Kampf bis zum Ende ausfechten, wenn ich sehe, dass es sowieso keinen Sinn hat und mich nur Nerven und Lebensfreude kosten wird. Und so kann ich Briefe von Menschen, mit denen ich mich nicht mehr befassen möchte, weil sie versucht haben, mich über den Tisch zu ziehen und für dumm zu verkaufen, ungeöffnet zurückschicken. Mit dem Vermerk „Annahme verweigert“. Und ich bin nicht mal ansatzweise neugierig, was wohl drin gestanden hat. Das hat wirklich viel für sich.

Ganz der Papa …

Ich weiß nicht, wie oft ich den Spruch schon gehört hab. Klar, es gibt schon Ähnlichkeiten, Körpergröße und Haarfarbe zum Beispiel. Ich hab aber auch genausoviel Ähnlichkeit mit meiner Mutter, finde ich. Und dass mein Papa und ich sooooo ähnlich nun auch nicht aussehen, merke ich immer an Tagen wie heute, an denen wir zusammen im Supermarkt unterwegs sind. Missbilligende Blick zuhauf à la: Der ist doch viel älter als sie … Was will der denn mit dem jungen Ding … Das könnte doch ihr Vater sein …

Eben. Isser ja auch. :-)